Von Eben van Tonder | EarthwormExpress | 9. Juli 2025
Einleitung: Das afrikanische Rätsel
In unseren Fleischverarbeitungsbetrieben in Afrika beobachten wir ein wiederkehrendes Problem: Unser Hackfleisch zeigt nicht das charakteristische “Spaghetti-Aussehen”, also jene langen, sauberen, definierten Stränge, die wie perfekte Fäden aus dem Wolf kommen. Stattdessen erhalten wir weiches, feuchtes Hackfleisch mit kurzen Fasern, das am Wolfskopf klebt, auf dem Tisch verklumpt und sich jeder klaren Struktur widersetzt. Monatelang vermuteten wir Fehler am Wolf, Temperaturprobleme oder schlechte Messerjustierung. Doch die Ursache liegt viel tiefer – in der Muskelbiologie der Tiere, mit denen wir arbeiten.
Der Schuldige? DFD-Fleisch: Dark, Firm, Dry (dunkel, fest, trocken). Was folgt, ist die umfassendste Erklärung, warum sich DFD-Fleisch so verhält – und was man dagegen tun kann.
Was ist DFD?
DFD steht für “Dark Firm Dry”, ein Zustand von Fleisch, der durch physiologischen Stress vor der Schlachtung entsteht. Obwohl das Fleisch äußerlich trocken und dunkel erscheint, ist es auf mikroskopischer Ebene stark hydratisiert. Ein Verständnis der biochemischen und hormonellen Prozesse hinter diesem Zustand zeigt, warum DFD eine ernsthafte Herausforderung für die Fleischverarbeitung, die Haltbarkeit und die sensorische Qualität darstellt.
Der biochemische Ursprung von DFD-Fleisch
DFD-Fleisch entsteht, wenn Tiere vor der Schlachtung chronischem Stress ausgesetzt sind – etwa durch langen Transport, Überbelegung, schlechte Stallbedingungen oder wiederholtes Treiben. Dieser Stress führt zur Erschöpfung der Glykogenspeicher in der Muskulatur. In der Folge kann sich nach dem Tod keine ausreichende Menge an Milchsäure bilden. Ohne diese bleibt der End-pH-Wert hoch – meist über 6,0.
Wie funktioniert aerobe Atmung?
Unter normalen Bedingungen, wenn Sauerstoff verfügbar ist, produzieren Muskelzellen Energie durch aerobe Atmung. Diese beginnt mit der Glykolyse, bei der Glukose aus Glykogen zu Pyruvat abgebaut wird. In Anwesenheit von Sauerstoff gelangt Pyruvat in die Mitochondrien und wird über den Citratzyklus und die Atmungskette weiterverarbeitet. Sauerstoff dient als Elektronenakzeptor, wodurch Glukose vollständig zu CO₂, ATP und Wasser oxidiert wird.
Dieser Weg erzeugt etwa 36 bis 38 ATP-Moleküle pro Glukosemolekül. Das entstehende Wasser (“Stoffwechselwasser”) geht im lebenden Tier nicht verloren, sondern trägt zur intrazellulären Hydratation bei. Ein Teil gelangt ins Kapillarnetz und Zwischenzellgewebe, stabilisiert das osmotische Gleichgewicht und erhält die Gewebespannung.
Anaerobe Glykolyse nach der Schlachtung
Nach dem Tod endet die Sauerstoffzufuhr. Die Atmungskette bricht ab, und der Muskel wechselt zur anaeroben Glykolyse. Dabei wird Glykogen zu Glukose und Pyruvat abgebaut. Ohne Sauerstoff wird Pyruvat zu Milchsäure umgewandelt, was NAD⁺ regeneriert und den pH-Wert von etwa 7,0 auf 5,4 bis 5,8 senkt. Diese Ansäuerung ist entscheidend für Farbe, Zartheit, Wasserbindung und mikrobiologische Stabilität.
Milchsäuregärung in Muskeln und Mikroben
Dieser Prozess ähnelt der Milchsäuregärung durch Bakterien wie Lactobacillus. Auch hier wird Glukose in Pyruvat umgewandelt, ATP gewonnen und NAD⁺ zu NADH reduziert. In Abwesenheit von Sauerstoff wird Pyruvat durch Lactatdehydrogenase zu Milchsäure, wobei NADH zu NAD⁺ oxidiert wird. In Mikroben ist dies die primäre Energiequelle, im Muskel eine temporäre Anpassung.
Milchsäure ist somit kein Abfallprodukt, sondern ein lebenswichtiges Zwischenprodukt in anaeroben Phasen. In der Fleischwissenschaft entscheidet sie, ob ein Schlachtkörper hochwertiges Fleisch liefert oder schwere funktionale Mängel zeigt.
Glykogenabbau und Stressantwort
Chronischer Stress vor der Schlachtung reduziert massiv die Glykogenspeicher. Glykogen, ein verzweigtes Polymer aus Glukose, dient als schnell verfügbarer Energiespeicher. Ohne ausreichend Glykogen gibt es zu wenig Substrat für anaerobe Glykolyse. Die Milchsäurebildung ist ungenügend, der pH-Wert bleibt hoch. Es entsteht DFD-Fleisch: dunkel, fest, mit kurzer Haltbarkeit.
Cortisol und die katabole Kaskade
Ursache für den Glykogenabbau ist Cortisol, ein Stresshormon der Nebennierenrinde. Es fördert in der Leber die Glukoneogenese aus Aminosäuren (Muskelabbau) und hemmt gleichzeitig die Glykogensynthese sowie die Glukoseaufnahme in Muskelzellen (Insulinresistenz). Cortisol sorgt dafür, dass dem Gehirn weiterhin Glukose zur Verfügung steht, auf Kosten der Muskeln.
Diese Umstellung von anabolen (aufbauenden) auf katabole (abbauende) Prozesse führt zur energetischen Erschöpfung der Muskulatur. Tiere im cortisolgesteuerten Stresszustand haben keine Zeit, ihre Glykogenspeicher zu regenerieren. Es fehlt somit die Voraussetzung für die postmortale Glykolyse.
Verfestigung des Stresszustandes
Tiere unter Dauerstress (Transport, Hunger, Angst, soziale Instabilität) bleiben im katabolen Zustand. Bei der Schlachtung ist kaum noch Glykogen vorhanden. Die Milchsäurebildung bleibt aus, der pH-Wert hoch.
Optisch wirkt das Fleisch trocken und fest, ist aber auf mikroskopischer Ebene stark hydratisiert. Der hohe pH-Wert verhindert die Denaturierung von Proteinen, Wasser bleibt gebunden, nicht als Tropfsaft sichtbar.
Letzte Betrachtung
Die gesamte Kette von Stress vor der Schlachtung bis zur Qualitätsminderung ist nachvollziehbar. Cortisol blockiert die postmortale Ansäuerung, es entsteht DFD-Fleisch mit eingeschränkter Verarbeitbarkeit, verkürzter Haltbarkeit und geringer Akzeptanz.
“Fehlende Glykolyse hält den pH-Wert über dem isoelektrischen Punkt, was die Wasserbindung erhöht.” (Honikel, 1998)
DFD-Fleisch ist nicht trocken, sondern stark hydratisiert – ein Schwamm, der Wasser in der Myofibrillenstruktur bindet. Das beeinflusst die Verarbeitung erheblich.
Kapillarkollaps und Wasserbindung
Alles Fleisch durchläuft nach dem Tod einen Gefäßkollaps. Die Kapillaren entleeren sich während der Ausblutung und kollabieren anschließend strukturell. Doch bei DFD-Fleisch führt dieser Kapillarkollaps nicht zu sichtbarem Tropfsaft oder Flüssigkeitsverlust wie bei PSE-Fleisch.
Der hohe pH-Wert verhindert die Denaturierung der Proteine, die Mikrostruktur bleibt intakt, und das Wasser bleibt innerhalb der Myofibrillen eingeschlossen, anstatt in den extrazellulären Raum verdrängt zu werden.
„Kapillaren kollabieren in allen postmortalen Fleischgeweben, aber Tropfverlust tritt nur auf, wenn sich die sarkomerischen und myofibrillären Strukturen zusammenziehen und Flüssigkeit herauspressen. Beim DFD-Fleisch bleiben diese Räume hydratisiert und erweitert.“ (Huff-Lonergan & Lonergan, 2005)
Milchsäure ist in diesem Prozess entscheidend, da sie den pH-Wert des Muskels in Richtung des isoelektrischen Punktes der Myofibrillarproteine – insbesondere Myosin und Aktin – senkt. An diesem Punkt besitzen die Proteine keine Nettoladung mehr, was zu einer dichteren Packung führt. Diese Verdichtung, kombiniert mit der rigor mortis-bedingten Kontraktion der Sarkomere, erzeugt einen mechanischen Druck auf die wasserhaltende Matrix. Dadurch wird zuvor gebundenes oder locker assoziiertes Wasser aus dem Muskelfasernetzwerk in extrazelluläre Räume gedrückt und erscheint als Oberflächenflüssigkeit.
Warum wir nicht den Spaghetti-Effekt erzielen
Nun kommen wir zum Kern des Problems. In Teilen Afrikas sind viele unserer Tiere nomadisch unterwegs, werden langen Märschen unterzogen und treffen oft gestresst beim Schlachthof ein. Das Ergebnis ist DFD-Fleisch. Und genau deshalb liefert es uns kein sauberes, faseriges Hackfleisch:
Muskelschwellung
Wasser wird im Muskel stark gebunden. Beim Wolfen presst der innere Druck dieses Wasser heraus, was zu einer breiigen Konsistenz führt.
Geringe Proteindenaturierung
Da die Proteine intakt bleiben, zerschneiden sie sich nicht sauber im Wolf. Anstelle klarer Stränge entstehen Kompression, Verschmieren und Verklumpung.
Überhydratisierte Textur
Das Fleisch enthält zu viel Wasser. Beim Zerkleinern brechen die Fasern leicht auf und erzeugen ein Produkt, das sich eher wie ein Brei verhält.
Optische Täuschung
DFD-Fleisch erscheint dunkel und trocken. Doch diese Trockenheit ist oberflächlich. Beim Schneiden oder Wolfen tritt Flüssigkeit aus – nicht als Tropfsaft, sondern als fest gebundene Feuchtigkeit, die aus beschädigten Zellen freigesetzt wird.
„DFD-Fleisch täuscht das Auge: Die Oberfläche ist trocken, doch das Innere ist gesättigt. Die Feuchtigkeit bleibt unsichtbar, bis die Struktur gestört wird.“ (Lawrie & Ledward, 2006)
Hydratationsvergleich: DFD vs. Normal vs. PSE
Vergleichen wir nun, was wir von DFD-Fleisch im Vergleich zu PSE- und normalem Fleisch erwarten können:
| Merkmal | DFD-Fleisch | Normales Fleisch | PSE-Fleisch |
|---|---|---|---|
| End-pH-Wert | > 6,0 | ~5,5 | ~5,4 |
| Wasserbindungsvermögen (WHC) | Sehr hoch | Mittel | Sehr gering |
| Tropfverlust (24–48 h) | 0,5–1,5 % | 2–4 % | 5–10 % |
| Erscheinungsbild | Dunkel, klebrig | Leuchtend, fest | Blass, weich |
| Schneiden/Wolfen | Klebrig, breiig | Strukturiert | Nass, pastös |
| Interne Hydratation | Übermäßig | Ausgeglichen | Dehydriert |
| Kapillaren | Intakt, aber kollabiert | Stabilisierend | Kollabiert, denaturiert |
Zusätzlicher Wasserverlust: DFD vs. normales Rindfleisch
Was können wir konkret in Bezug auf den Wasserverlust bei DFD- und normalem Rindfleisch erwarten?
Vergleich Wasserverluste: DFD-Fleisch vs. normales Rindfleisch
| Quelle des Wasserverlusts | DFD-Fleisch | Normales Rindfleisch |
|---|---|---|
| Tropfverlust (24–48 h) | 0,5–1,5 % | 2–4 % |
| Verlust beim Ausbeinen (sichtbar beim Schneiden) | 2,0–3,0 % | 1,0–1,5 % |
| Pökellakeverlust (nicht getumbelt, statische Lake) | 1–2 % | 1,5–2,5 % |
| Gesamterwarteter Verlust (vor dem Garen) | 4–6,5 % | 5–8 % |
Obwohl DFD-Fleisch Wasser während Lagerung und Verpackung effektiv zurückhält, kann es beim Schneiden, Trimmen oder Wolfen deutlich mehr Feuchtigkeit freisetzen. Dies liegt an seinem insgesamt höheren Wassergehalt und dem Strukturkollaps, der während der mechanischen Verarbeitung auftritt.
„Selbst DFD-Fleisch mit geringem Tropfverlust leidet unter Verdunstungsverlusten, wenn es Luft oder Pökellaken ausgesetzt ist.“ (Tornberg, 1996)
Grobe Würste
Bei groben oder strukturierten Würsten (z. B. Boerewors, Bratwurst, Krainerwurst) ist DFD-Fleisch problematischer:
- Fehlende Muskelspannung und Elastizität verhindern eine saubere Partikeldarstellung
- Pastöse oder weiche Textur, insbesondere wenn das Fleisch nicht gut vorgekühlt ist
- Chargenschwankungen können durch Mischen mit festerem Fleisch oder durch Zugabe von Paniermehl, TVP oder Stärke ausgeglichen werden
Fazit zur Wurstverwendung
Zusammenfassend lässt sich die Eignung von DFD-Fleisch für verschiedene Wursttypen wie folgt darstellen:
| Wursttyp | Eignung von DFD-Fleisch |
|---|---|
| Emulgiert | Hervorragend (bei Temperaturkontrolle) |
| Grob/strukturiert | Eingeschränkt (sofern nicht gemischt) |
| Halb-grob (z. B. mit Bindemitteln) | Akzeptabel |
„DFD-Rindfleisch kann, wenn es klug eingesetzt wird, normales Fleisch in Ausbeute und Emulgierfähigkeit übertreffen. Der Schlüssel liegt in der Verarbeitungstechnik.“ (Joo et al., 2013)
Einfrieren von DFD-Fleisch
In Südafrika ist es üblich, Fleisch nach der Schlachtung einzufrieren und später für den Einzelhandel aufzutauen. Dies geschieht in der Regel auf zwei Arten:
- Auftauen des Fleisches direkt in Verpackungsschalen mit modifizierter Atmosphäre (MAP) und Auslage in Kühlvitrinen
- Entnahme von gefrorenem Fleisch aus Großpackungen, Umverpackung in Schaumstoffschalen, Umwicklung mit Plastikfolie und Platzierung im Verkaufsregal
Dieses System funktioniert in Südafrika relativ gut, da das meiste Rindfleisch einen ausgeglichenen pH-Wert aufweist und nach der Totenstarre eine feste Struktur entwickelt. In anderen Regionen Afrikas – etwa Nigeria – beobachten wir jedoch eine ganz andere Verbraucherreaktion: Aufgetautes Fleisch wirkt oft „schlaff“, weich und glanzlos. Es fehlt die Frische und Struktur von unverarbeitetem Fleisch, und es herrscht die weit verbreitete Auffassung, dass zuvor gefrorenes Fleisch niemals wie frisches aussehen kann.
In vielen Fällen liegt die Antwort in den einzigartigen strukturellen und biochemischen Eigenschaften von DFD-Fleisch. Anders als normales Fleisch speichert DFD-Muskulatur große Mengen Wasser innerhalb des Myofibrillarnetzwerks. Dies ist auf den erhöhten pH-Wert zurückzuführen, der die Proteindenaturierung verhindert und die postmortale Muskelkontraktion hemmt. Die Muskelfasern bleiben offen und hydratisiert und behalten eine schwammartige Matrix, die Wasser stark bindet.
Aufgrund dieses hohen Wassergehalts gefriert DFD-Fleisch mit mehr intrazellulärer Feuchtigkeit als normales Fleisch – was die Gefahr struktureller Schäden beim Gefrieren und Auftauen erhöht.
Beim Einfrieren von DFD-Fleisch begünstigt der hohe Wasseranteil in den Zellen die Bildung großer Eiskristalle. Diese durchbrechen die Zellmembranen physisch und beschädigen die Muskelstruktur. Nach dem Auftauen kann das bereits geschwächte Gewebe die ausgetretene Flüssigkeit nicht mehr rückresorbieren. Das Ergebnis: ein weiches, wassergetränktes Erscheinungsbild, eine stumpfe, klebrige Oberfläche und eine gräuliche Verfärbung, die nicht zu dem leuchtenden Rot aufblüht, das Verbraucher mit Frische verbinden.
Wie Lawrie und Ledward (2006) festhalten:
„Der hohe pH-Wert und die Hydratation von DFD-Fleisch führen unter Einzelhandelsbedingungen ohne Temperaturstufung zu überproportional starken Schäden beim Einfrieren und Auftauen.“
Diese Beobachtung erklärt den weitverbreiteten Widerstand vieler Verbraucher gegen tiefgefrorenes Fleisch in Teilen Afrikas. Es ist nicht das Einfrieren an sich, das die wahrgenommene Qualitätsminderung verursacht, sondern das Einfrieren von bereits überhydratisiertem, hoch-pH-haltigem DFD-Fleisch – ohne Kontrolle über Gefriergeschwindigkeit, Zwischenlagerung oder Verpackung. Das strukturelle Versagen und der visuelle Einbruch beim Auftauen bestärken den Glauben, dass gefrorenes Fleisch minderwertig sei – auch wenn normales Fleisch bei identischen Bedingungen einwandfrei funktioniert.
Strategien zum Einfrieren von DFD-Fleisch, damit es frisch aussieht
So schwierig es auch sein mag, es gibt mehrere Strategien, um die visuelle und strukturelle Qualität von DFD-Fleisch nach dem Auftauen zu verbessern. Eine der effektivsten Maßnahmen ist das Schnellgefrieren bei extrem niedrigen Temperaturen, in der Regel bei –40 °C oder darunter. Diese Methode führt zur Bildung kleinerer Eiskristalle, wodurch die Schädigung der Zellstruktur minimiert wird. Durch die Reduktion der Kristallgröße bleibt die strukturelle Integrität besser erhalten, und das Risiko von sichtbarem Zusammenfall oder übermäßigem Tropfverlust nach dem Auftauen wird deutlich reduziert.
Eine weitere wertvolle Technik ist das Vakuumverpacken vor dem Einfrieren. Durch das Entfernen von Sauerstoff aus der Umgebung des Fleisches wird die oxidative Verfärbung während der Gefrierlagerung und des Auftauens reduziert. Gleichzeitig unterstützt das Vakuum die strukturelle Stabilität, indem es die Oberflächenspannung aufrechterhält und die Bildung großer Lufttaschen verhindert, die das Gewebe beim Gefrieren sonst stören könnten.
Auch die Auftaumethode ist entscheidend. Eine kontrollierte Auftauung im Kühlhaus, typischerweise bei 0 bis 2 °C über 24 bis 48 Stunden, verhindert, dass Wasser schnell an die Oberfläche migriert. Dieser langsamere Prozess ermöglicht eine teilweise Rückresorption intrazellulärer Flüssigkeit, wodurch Oberflächenfeuchte reduziert und das äußere Erscheinungsbild nach dem Auftauen verbessert wird. Schnelles oder unkontrolliertes Auftauen hingegen führt oft zu Wasserstau auf der Oberfläche und verstärkt den Strukturkollaps.
Auch nach dem Auftauen kann man noch eingreifen. Verpackung in modifizierter Atmosphäre (MAP) nach dem Auftauen kann die Sauerstoffanreicherung des Myoglobins fördern und so die Farbentwicklung an der Oberfläche verbessern – insbesondere, wenn im Muskel noch deoxygeniertes Myoglobin vorhanden ist. Diese Technik kann dem DFD-Fleisch wieder ein ansprechenderes Aussehen verleihen, hängt jedoch stark vom Ausmaß der Proteinschädigung und der Pigmentverfügbarkeit ab.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Zeitpunkt und die Methode der mechanischen Bearbeitung. Um einen Kollaps nach dem Auftauen zu vermeiden, sollte das Fleisch idealerweise entweder vor dem Eintritt der Totenstarre oder nach vollständiger Auflösung derselben geschnitten und verpackt werden. Wird das Fleisch in den Zwischenphasen verarbeitet, steigt die Anfälligkeit für strukturelle Schäden beim Auftauen deutlich.
Ein experimenteller Ansatz, der zunehmend Aufmerksamkeit erhält, ist die pH-Wert-Reduktion der Oberfläche durch ein mildes Säurebad. Erste Studien deuten darauf hin, dass das Eintauchen von DFD-Fleisch für ein bis zwei Minuten in eine verdünnte Essigsäurelösung (ca. 1–2 %) den Oberflächen-pH leicht senken kann. Dies könnte zu einer leichten Proteinvernetzung führen und sowohl die Festigkeit als auch die Farbentwicklung verbessern. Diese Methode ist jedoch bislang kein Standardverfahren in der Industrie und muss hinsichtlich Geschmacksveränderung, mikrobiologischer Sicherheit und Kennzeichnungspflicht noch validiert werden.
Wie Tornberg (1996) bemerkt:
„Säuredips sind kein Standardverfahren, aber eine gezielte pH-Wert-Manipulation der Oberfläche könnte ein neuartiges Mittel zur optischen Wiederherstellung von DFD-Fleisch darstellen – vorausgesetzt, sie wird wissenschaftlich und umsichtig eingesetzt.“
Keine dieser Strategien wird DFD-Fleisch vollständig in frisches, niedrig-pH-haltiges Fleisch „verwandeln“. Doch in Summe können sie die strukturellen und visuellen Mängel, die zur Ablehnung durch den Verbraucher führen, deutlich mindern. Das Problem liegt nicht im Einfrieren selbst – sondern im Einfrieren von überhydratisiertem, hoch-pH-haltigem Fleisch ohne geeignete Vorbereitung oder Kontrolle. Wird dieser Punkt beachtet, lässt sich die Akzeptanz von aufgetautem Rindfleisch im Einzelhandel deutlich steigern.
Lösungen: Den Spaghetti-Effekt zurückholen
Nach einem kurzen Exkurs über die Herausforderungen beim Einfrieren und den Strukturkollaps von DFD-Fleisch kehren wir zur ursprünglichen, praxisorientierten Frage zurück: Ist es möglich, die spaghettiartige Textur bei der Verarbeitung von hoch-pH-haltigem DFD-Rindfleisch zurückzugewinnen?
Diese Textur – gekennzeichnet durch deutlich erkennbare, widerstandsfähige Fleischstränge, die sauber aus dem Fleischwolf austreten, ohne zu schmieren oder zu verklumpen – ist nicht nur optisch wichtig, sondern auch entscheidend für Wasserbindung, Fettverteilung und Verarbeitungsleistung.
DFD-Fleisch stellt hier eine besondere Herausforderung dar. Der hohe Wassergehalt und die fehlende postmortale Kontraktion lassen die Fasern weich, offen und stark hydratisiert zurück. Beim Wolfen unter ungünstigen Bedingungen entsteht oft eine schmierige, breiartige Konsistenz, die sich weder strukturiert noch attraktiv präsentiert. Glücklicherweise gibt es mehrere Techniken, mit denen sich diese gewünschte spaghettiartige Struktur weitgehend zurückholen lässt:
Temperaturkontrolle
Entscheidend ist die Temperatur. Das Abkühlen des Fleisches auf unter 2 °C vor dem Wolfen ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen. Kaltes Fleisch ist fester und neigt weniger zum Schmieren – besonders bei hoch-pH-haltigem Muskel, dessen fehlende Proteinvernetzung ohnehin die Textur schwächt. Diese Festigkeit ermöglicht es dem Fleisch, sauber durch den Wolf geschnitten zu werden, statt sich unter Druck zu verformen.
Reihenfolge und Größe der Lochscheiben
Auch die Reihenfolge und Größe der verwendeten Lochscheiben beeinflusst das Ergebnis. Wird zuerst eine grobe Scheibe (z. B. 8 mm) verwendet und danach eine feinere (z. B. 4,5 mm), wird der mechanische Stress auf die Fasern reduziert. Dieser zweistufige Zerkleinerungsprozess schützt die Struktur des Muskels und verhindert das Quetschen, das eine zu frühe Verwendung feiner Scheiben bei weichem, hoch-pH-haltigem Fleisch verursachen kann.
Oberflächenantrocknung
Eine einfache, aber effektive Methode ist das Antrocknen der Oberfläche des Fleisches für ein bis zwei Stunden vor dem Wolfen. Ist die äußere Feuchtigkeit leicht reduziert, wird mehr Wasser in die Proteine zurückgezogen, statt sich als Film auf der Oberfläche zu sammeln. Dies verbessert den Reibungskontakt mit den Messern und fördert die optische Trennung der Fasern.
Mischung mit Fleisch normaler pH-Werte
Das Mischen von DFD-Fleisch mit einem Anteil mageren Fleisches mit normalem pH-Wert kann die Textur stabilisieren. Solches Fleisch hat den vollen pH-Abfall und die entsprechende Proteinvernetzung durchlaufen und bringt somit Festigkeit in die Mischung. Selbst ein moderater Anteil niedrig-pH-haltiger Komponente kann als struktureller Stabilisator im Proteinverbund wirken und sowohl Biss als auch visuelle Maserung verbessern.
Schonendes Mischen
Das Mischen muss ebenfalls behutsam erfolgen. DFD-Fleisch wird beim Mischen sehr schnell klebrig, und Übermischen kann die gerade wiedergewonnene Struktur leicht zerstören. Idealerweise wird nur so lange gemischt, bis die Zutaten gleichmäßig verteilt sind. So wird eine gleichmäßige Mischung erreicht, ohne das Muskelgewebe in eine Paste zu verwandeln.
Vakuum beim Wolfen
Eine zusätzliche Methode besteht darin, beim Wolfen leichten Unterdruck anzuwenden. Dieser hilft, Wasser wieder in die Proteinmatrix zurückzuziehen, verbessert die innere Bindung und reduziert freie Oberflächenfeuchtigkeit, die zum Schmieren beiträgt. Diese Technik ist in der Herstellung hochwertiger emulgierter Produkte üblich und wird zunehmend auch bei Hackfleisch eingesetzt, das auf wasserempfindlichen Rohstoffen basiert.
Zustand der Wolfsmesser und -scheiben
Nicht zuletzt ist der Zustand von Messern und Lochscheiben entscheidend. Stumpfes oder beschädigtes Werkzeug erhöht das Schmieren erheblich – besonders bei hydratisiertem DFD-Muskulatur. Regelmäßiges Nachschärfen und Sauberkeit sind unerlässlich – nicht nur für die Textur, sondern auch zur Vermeidung von Proteinablagerungen und mikrobiellen Belastungen.
Diese Methoden beseitigen nicht die grundlegenden Probleme bei der Verarbeitung von DFD-Fleisch. Doch wenn sie gezielt und systematisch angewendet werden, lassen sich viele der strukturellen, funktionellen und optischen Nachteile ausgleichen. Der Spaghetti-Effekt ist also nicht unerreichbar – er erfordert lediglich durchdachte Anpassungen in jeder Verarbeitungsstufe.
Fazit
DFD-Fleisch, das in tropischen und nomadisch geprägten Systemen – wie sie in Teilen Afrikas üblich sind – häufig vorkommt, verhält sich ganz anders als Standardfleisch. Obwohl es äußerlich trocken wirkt und über ein hohes Wasserbindungsvermögen verfügt, ist es in Wahrheit alles andere als trocken. Die starke Hydratation im Inneren und das Ausbleiben der Proteindenaturierung erschweren die Verarbeitung – insbesondere bei der Herstellung strukturierter Produkte wie faserigem Hackfleisch.
Wenn man jedoch die zugrunde liegenden Mechanismen versteht und geeignete Korrekturmaßnahmen anwendet, lässt sich die Leistungsfähigkeit von DFD-Fleisch teilweise zurückgewinnen. So können wir bessere Struktur, Textur und Ausbeute in unseren Produkten erzielen – selbst unter schwierigen Bedingungen.
Literaturverzeichnis
- Honikel, K.O. (1998). Reference methods for the assessment of physical characteristics of meat. Meat Science, 49(Suppl. 1), S447–S457.
- Joo, S.T. et al. (2013). Control of fresh meat quality through manipulation of muscle metabolism. Animal Frontiers, 3(4), 45–52.
- Hambrecht, E. et al. (2005). Effect of feeding intensity and slaughter weight on pork quality. Meat Science, 72(4), 795–806.
- Lawrie, R.A. & Ledward, D.A. (2006). Lawrie’s Meat Science (7. Aufl.). Woodhead Publishing.
- Tornberg, E. (1996). Biophysical aspects of meat tenderness. Meat Science, 43(Suppl. 1), S175–S191.
- Huff-Lonergan, E. & Lonergan, S.M. (2005). Mechanisms of water-holding capacity of meat: The role of postmortem biochemical and structural changes. Meat Science, 71(1), 194–204.
