Von Eben van Tonder, EarthwormExpress, 6. Juli 2025
Einleitung
Dieser Artikel untersucht die Biochemie, Physiologie und funktionalen Konsequenzen von Cortisol bei Menschen und Tieren, mit besonderem Schwerpunkt auf seiner Rolle in der Fleischindustrie und der menschlichen Gesundheit. Cortisol, ein in der Nebennierenrinde gebildetes Glukokortikoidhormon, ist ein zentraler Regulator der Stressreaktion. Während seine akute Aktivierung Organismen befähigt, sich an unmittelbare Bedrohungen anzupassen, indem Energie mobilisiert und nicht essentielle Funktionen unterdrückt werden, führt chronisch erhöhte Konzentration zu einer Kaskade schädlicher metabolischer, kognitiver und immunologischer Folgen.
Bei Nutztieren hat Cortisol tiefgreifende Auswirkungen auf die Fleischqualität. Sein Einfluss auf Glykogenentleerung, Proteolyse und postmortale Muskelchemie kann zu bekannten Defekten wie PSE („Pale, Soft, Exudative“) und DFD („Dark, Firm, Dry“) führen. Diese Resultate sind nicht bloß biochemische Artefakte, sondern wurzeln in dem physiologischen Stress, dem das Tier vor der Schlachtung ausgesetzt war. Das Verständnis von Cortisoleinfluss schafft eine Brücke zwischen Tierschutz und Schlachtwert und bietet Fachleuten der Fleischwissenschaft präzisere Interventionsmöglichkeiten.
In der menschlichen Physiologie reguliert dasselbe Hormon die Stressreaktion mit bemerkenswert ähnlichen Folgen. Von Muskelabbau und viszeraler Fettakkumulation bis hin zu Stimmungsschwankungen und Immunsuppression spiegeln die chronischen Effekte von Cortisol die Verschlechterung wider, die auch bei gestressten Tieren beobachtet wird. Diese gemeinsame Biologie eröffnet die Möglichkeit disziplinübergreifender Einsichten: Strategien zur Verbesserung der Fleischqualität können Resilienz im menschlichen Gesundheitsbereich inspirieren und umgekehrt.
Der Artikel untersucht weiterhin natürliche Modulationsstrategien, mit besonderem Fokus auf Rote Beete als diätetisches Mittel, reich an Nitraten, Antioxidantien und adaptogenen Verbindungen. Abschließend wird das Konzept eines nitrit-angereicherten Rote‑Beete‑Bacons vorgestellt—eine Innovation, die Tradition, hormonelles Verständnis und funktionales Lebensmitteldesign verbindet. Im Verständnis von Cortisol gewinnen wir nicht nur besseres Fleisch, sondern auch ein tieferes Verständnis der Biologie, die alle lebenden Systeme unter Stress miteinander verbindet.
1. Biochemie des Cortisols: Synthese und Regulation
1.1 Die Entdeckung des Cortisols
Cortisol wurde erstmals 1936 vom Biochemiker Tadeusz Reichstein in Basel isoliert und identifiziert, am Pharmazeutischen Institut der Universität Basel. Gleichzeitig isolierten die amerikanischen Forscher Edward Calvin Kendall und Philip Hench an der Mayo Clinic Nebennierenhormone aus bovinen Nebennieren. Das Hormon wurde zunächst „Compound E“ genannt.
1948 wendeten Hench und Kendall auf Reichsteins früherer Arbeit aufbauend Cortison (ein eng verwandtes Hormon) zur Behandlung von rheumatoider Arthritis an, was internationale Anerkennung brachte. 1950 erhielten Reichstein, Kendall und Hench gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Arbeit über Nebennierenrindenhormone und deren therapeutische Anwendung.
„Die Identifizierung von Cortisol markierte eine der großen Errungenschaften der endokrinen Chemie des 20. Jahrhunderts“ (Medvei, 1982). Sie eröffnete das Verständnis dafür, wie der Körper Stoffwechsel, Immunität und Stress reguliert.
1.2 Cortisol-Synthese und ‑Regulation: Ein klar strukturierter Überblick für Fleischwissenschaftler
Cortisol, ein Glukokortikoidhormon, das zentral für die Stressreaktion bei Säugetieren ist, wird im Zona fasciculata der Nebennierenrinde synthetisiert. Diese Rindenschicht ist Teil der kleinen, aber lebenswichtigen Drüse oberhalb der Niere und wichtig für die Produktion mehrerer Hormone, die Stoffwechsel, Blutdruck, Immunantwort und Stress regulieren.
Obwohl der vollständige Syntheseweg mehrere enzymatische Umwandlungen umfasst, lässt er sich in wenigen Schritten nachvollziehbar darstellen:
- Ausgangspunkt ist Cholesterin, ein entscheidender Vorläufer aller Steroidhormone.
- Cholesterin wird von LDL aus dem Blut aufgenommen, in freie Form umgewandelt, und durch das mitochondriale Enzym CYP11A1 zu Pregnenolon gespalten.
- Pregnenolon wird durch CYP17A1 zu 17‑Hydroxypregnenolon hydroxiliert.
- Durch 3β‑HSD entsteht 17‑Hydroxyprogesteron, dann durch CYP21A2 11‑Deoxycortisol.
- Schließlich wandelt CYP11B1 11‑Deoxycortisol in Cortisol um.
Gesteuert wird dieser Weg durch die hypothalamisch-hypophysäre Nebennierenachse (HPA-Achse): Stressreize lösen CRH aus, das ACTH stimuliert, welches schließlich Cortisol freisetzt. Ein negativer Feedback‑Mechanismus sorgt dafür, dass hohe Cortisolspiegel CRH und ACTH hemmen, was die Hormonproduktion reguliert.
Bei chronischem Stress kann diese Regulation gestört werden und zu Funktionsverlusten im System führen. Solche Dysregulationen sind mit Bluthochdruck, Insulinresistenz, viszeralem Fett, Immunsuppression und Stimmungsstörungen verbunden. Niedrige Cortisolspiegel können hingegen chronische Erschöpfung, niedrigen Blutdruck und schlechte Stressresistenz zur Folge haben.
Für Fachleute der Fleischwissenschaft bedeutet dieses Wissen: Faktoren, die die HPA-Achse stören—etwa Vor-Schlachtungs‑Handling, Hitze, Ernährungsmängel—können direkt Muskelglykogenreserven beeinflussen und dadurch Fleischqualität wie PSE, DFD oder Wasserhaltevermögen determinieren.
2. Physiologische Funktionen und evolutionäre Rolle
Evolutionär betrachtet macht Cortisol kurzfristige Stressreaktionen möglich durch:
- Glukoneogenese in der Leber
- Lipolyse und Umverteilung von Fett (z. B. Viszeralfett)
- Proteolyse im Muskel zur Glukoseversorgung
- Immunsuppression und antientzündliche Effekte
Während diese Funktionen in akuten Gefahrensituationen adaptiv sind, führt chronische Aktivierung zu katabolen Zuständen, Immunsuppression und Verhaltensstörungen – Cortisol ist für akuten, nicht chronischen Stress ausgelegt (McEwen, 2007).
3. Cortisol und Muskelbiochemie
3.1 Im lebenden Tier
Cortisol fördert die Proteolyse und Glukoneogenese, oft auf Kosten des Muskelgewebes:
- Proteinabbau: Muskelprotein → Aminosäuren → Glukose (über hepatische Glukoneogenese)
- Reduzierte Glykogensynthese: Cortisol hemmt die anabolen Effekte von Insulin
3.2 Postmortale Muskelphysiologie
Der Glykogengehalt im Muskel zum Zeitpunkt der Schlachtung bestimmt den pH-Verlauf nach dem Tod:
- Normaler pH-Abfall: Glykogen → Milchsäure → pH sinkt auf ca. 5,5
- Cortisolgeschwächter Muskel: Wenig Glykogen → unzureichende Milchsäurebildung → hoher End-pH (>6,0)
„Glykogen ist der wichtigste Faktor für den End-pH. Stressbedingte Glykogendepletion führt zu Fleisch mit hohem pH-Wert, das mikrobiell stabil, aber sensorisch unerwünscht ist“ (Lawrie & Ledward, 2006).
4. Cortisol und Fleischfehler: PSE und DFD
4.1 PSE (Pale, Soft, Exudative)
Ursache: Akuter Stress direkt vor der Schlachtung – z. B. Hitze, raues Handling, Kämpfe, unsachgemäße Betäubung.
Beteiligte Hormone: Adrenalin als Haupttreiber, Cortisol verstärkend.
Biochemie: Rasche postmortale Glykolyse → überschüssige Milchsäurebildung bei erhöhter Temperatur → Denaturierung der Proteine.
Fleischmerkmale: Blasse Oberfläche, weiche Konsistenz, geringe Wasserbindung, hoher Tropfverlust.
Erklärung:
Bei intensivem Stress wird durch Adrenalinausschüttung eine schnelle Glykolyse ausgelöst. Nach der Schlachtung wechselt der Muskel in den anaeroben Zustand, wobei weiter ATP über Milchsäuregärung gebildet wird. Kommt es jedoch zu schneller Milchsäurebildung bei noch hoher Temperatur, denaturieren Strukturproteine (v. a. Myosin), was zu schwacher Struktur und hohem Wasserverlust führt. Cortisol trägt zur Energieversorgung bei und verstärkt die Adrenalinwirkung.
„PSE-Fleisch entsteht durch das Missverhältnis von Milchsäurebildung und Schlachtkörperabkühlung. Hohe Temperaturen fördern die Denaturierung bei niedrigem pH“ (Offer, 1991).
4.2 DFD (Dark, Firm, Dry)
Ursache: Chronischer Stress über Stunden oder Tage – z. B. Fasten, Transport, Isolation.
Hormon: Cortisol ist dominierend.
Biochemie: Glykogendepletion verhindert postmortale Glykolyse → geringe Milchsäurebildung → hoher End-pH.
Fleischmerkmale: Dunkle Farbe, feste Textur, trockene Oberfläche, gute Anfangswasserbindung, aber reduzierte Haltbarkeit.
Erklärung:
Langfristiger Stress aktiviert die HPA-Achse, was zu anhaltender Cortisolausschüttung führt. Dieser katabole Zustand entzieht dem Muskel Energie durch:
- Glukoneogenese aus Aminosäuren → Muskelabbau
- Hemmung der Glykogensynthese
- Mobilisierung von Fettsäuren aus dem Fettgewebe
- Hemmung der Glukoseaufnahme durch Insulinresistenz
Das Ergebnis ist ein Muskel mit wenig oder keinem Glykogen. Ohne Glykogen keine Milchsäuregärung → pH bleibt >6,0.
Die Folge: dunkles Fleisch durch reduziertes Myoglobin, feste Textur, trockenes Aussehen. Hoher pH begünstigt mikrobielle Verderblichkeit. Cortisol ist hier nicht indirekt beteiligt, sondern zentraler Auslöser des DFD-Verlaufs.
„DFD ist durch hohen pH und reduzierte Milchsäurebildung gekennzeichnet. Es korreliert stark mit erhöhtem Cortisol vor der Schlachtung“ (Warris, 2010).
4.3 Cortisols umfassendere Rolle bei der Fleischqualität
Cortisol ist ein metabolischer Schalter in der Vorschlachtungsphase:
- Akuter Stress → mehr Glukose → beschleunigte Glykolyse → PSE
- Chronischer Stress → Glykogenabbau → blockierte Glykolyse → DFD
Es verschärft PSE und erzeugt DFD. Damit ist Cortisol kein Nebenfaktor, sondern ein zentraler Architekt der Fleischqualität.
4.4 Proteolyse als definierender Mechanismus bei DFD
Die Wirkung von Cortisol endet nicht beim Glykogenabbau. Es aktiviert proteolytische Systeme wie Calpain, Cathepsin und Ubiquitin, die Muskelproteine abbauen – sogar vor dem Tod. Das beeinträchtigt Struktur, Wasserbindung und Endqualität.
5. Feedlot-Stress und Fleischqualität
5.1 Chronischer Stress in intensiven Haltungssystemen
Feedlots verursachen durch Überbelegung, Hitzestress, soziale Instabilität und monotone Ernährung chronischen Stress.
Die Folge: dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel, Muskelabbau und Glykogendepletion.
„Tiere unter intensiver Haltung ohne Umweltanreicherung zeigen häufiger Stressverhalten, schlechte Futterverwertung und Fleischqualitätsmängel“ (Grandin, 1997).
5.2 Lairage, Handling und Stressminderung
Vorschlachtungsmaßnahmen zur Stressvermeidung:
- Ausreichende Ruhe, Wasser, Futter
- Ruhige Handhabungssysteme
- Geräuscharme Umgebung, sanfte Behandlung
Diese Faktoren helfen, Glykogenreserven wieder aufzufüllen und DFD-Risiken zu senken.
6. Stress beim Menschen
Chronischer Stress beim Menschen verursacht ähnliche Probleme wie bei Tieren. Viszeralfett sammelt sich um Organe an (v. a. Bauchbereich), was das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck erhöht. Auch Organfett wird vermehrt eingelagert – meist unsichtbar, aber gefährlich.
Hauptverantwortlich: Cortisol.
Es schwächt das Immunsystem, baut Muskeln ab, fördert Insulinresistenz, beeinträchtigt Kognition und erhöht Angst.
Langfristig: Alterungsbeschleunigung, Entzündungen, verminderte Erholung.
6.1 Die Rolle der Roten Beete bei der Cortisolmodulation
Rote Beete enthält Nitrate, Betalaine, Magnesium, Kalium und Polyphenole. Diese verbessern Gefäßfunktion, reduzieren oxidativen Stress und unterstützen die Regeneration – ideal bei erhöhtem Cortisol.
Kann Rote Beete Cortisolwirkungen umkehren?
Sie hemmt nicht direkt die Cortisolproduktion, wirkt aber ganzheitlich. Nitrate fördern die NO-Bioverfügbarkeit → bessere Durchblutung, mitochondrialer Schutz, bessere Erholung.
Vergleich mit anderen Maßnahmen:
- Ashwagandha: senkt Cortisol klinisch belegt
- Rhodiola Rosea: reduziert mentale Erschöpfung
- Omega‑3‑Fettsäuren: senken akute Cortisolantwort
- Magnesiumglycinat: HPA-stabilisierend
- Kalte Duschen: stärken Stressregulation
- Moderate Bewegung: senkt Basal‑Cortisol
Rote Beete bietet vaskuläre, antioxidative und metabolische Wirkung – einzigartig in dieser Kombination.
Ganzheitlicher Nutzen der Roten Beete
Ihre Nitrate fördern NO-Produktion, verbessern die Sauerstoffversorgung des Gehirns und schützen Muskeln vor Cortisolabbau. Studien zeigen antioxidativen Schutz und Cortisolminderung in Tiermodellen (Clifford et al., 2015; El Gamal et al., 2014).
Praktische Anwendung
Als Saft, gekocht oder als Pulver regelmäßig konsumieren. Nicht allein wirksam, aber starker Baustein im Stressmanagement.
6.2 Kalte Duschen und hormetische Anpassung
Kalte Duschen aktivieren das sympathische Nervensystem, setzen Noradrenalin frei und fördern Resilienz.
Sie wirken:
- Stimmungsaufhellend (Beta‑Endorphine)
- Immunstärkend
- Stoffwechselanregend
- Konzentrationsfördernd
„Kurzfristige Kältereize lösen eine hormetische Antwort aus, die den Körper für zukünftige Stressoren widerstandsfähiger macht“ (Shevchuk, 2008).
„Kalte Duschen setzen Noradrenalin und Beta‑Endorphine frei, die Depressionen lindern und Müdigkeit senken können“ (Buijze et al., 2016).
Im Gesamtplan
In Kombination mit Roter Beete stärken kalte Duschen die Anpassungsfähigkeit an Stress – beide wirken synergistisch, ohne Cortisol direkt zu hemmen.
Wertschöpfung durch gepökeltes Fleisch
Ein zusätzlicher Aspekt ergibt sich beim Konsum von gepökeltem Fleisch, da Nitrit (NO₂⁻) und Nitrat (NO₃⁻) in Pökelverfahren enthalten sind – z. B. in traditionellem Bacon mit 120 ppm Natriumnitrit. Diese Verbindungen sind chemisch ähnlich jenen, die durch den Nitratstoffwechsel aus Roter Beete entstehen, und tragen zur Stickstoffmonoxidbildung im Körper bei, sofern regelmäßig konsumiert.
Wird gepökeltes Fleisch zusätzlich mit Ascorbat (z. B. Natriumascorbat oder Erythorbat, bei 550 ppm) verarbeitet – ein Standardverfahren – wird die Bildung von Nitrosaminen effektiv verhindert. Ascorbat wirkt als reduktives Mittel, wandelt Nitrit zu NO um und blockiert die Nitrosierung von Aminen.
Auch das Garen bei niedriger Temperatur (<150 °C), wie es beim Braten von Bacon im Haushalt üblich ist, reduziert die Bildung flüchtiger Nitrosamine.
In diesem Kontext, in dem Verbraucher durch gepökeltes Fleisch bereits NO₂⁻ und NO₃⁻ aufnehmen, ist ein zusätzlicher hoher Nitratbedarf durch Rote Beete möglicherweise reduziert. Ein innovativer Ansatz besteht darin, Rote Beete direkt in gepökelte Fleischprodukte wie Bacon zu integrieren. Eine Einsatzmenge von 1,5 % bis 2,5 % in Baconformulierungen wird empfohlen, wenn Ascorbat enthalten ist und Kochrichtlinien eingehalten werden. Auch bei dieser niedrigen Menge bietet Rote Beete antioxidative Vorteile, verbessert die Farbe und unterstützt synergistisch die Gefäßfunktion – ohne das Nitrat-Nitrit-System zu überlasten.
Dieser integrierte Ansatz kombiniert traditionelle Pökelmethoden mit modernen funktionellen Zutaten – im Sinne einer gesundheitsbewussten Fleischgestaltung, ohne Sicherheits- oder Geschmacksverlust. Die Aufnahme von Roter Beete in verarbeitete Fleischprodukte wie Bacon ist ein vielversprechendes Feld. Eine Zugabe von 1 %–2 % Rote-Beete-Pulver könnte folgende Effekte erzielen:
- Verstärkte antioxidative Wirkung
- Farbverstärkung und Stabilität (als natürliche Nitritquelle in manchen Kontexten)
- Mögliche Reduktion von Stressmarkern im Fleisch, wenn Tiere vor der Schlachtung mit Roter Beete gefüttert wurden
Fazit
Cortisol ist nicht bloß ein Nebenprodukt von Stress, sondern ein leistungsfähiger biologischer Schalter, der darüber entscheidet, wie Organismen reagieren, sich anpassen – oder, wenn aus dem Gleichgewicht, degenerieren. Sowohl beim Menschen als auch bei Nutztieren führt chronisch erhöhtes Cortisol zu Störungen im Energiehaushalt, beschädigt Gewebe, fördert Fettverlagerung in risikoreiche Körperbereiche und behindert Erholung. Diese Folgen spiegeln sich sichtbar in der Fleischqualität und im menschlichen Körper – zwei parallele Systeme, die denselben hormonellen Mechanismen unterliegen.
In der Fleischwissenschaft erlaubt Cortisol eine neue Sichtweise auf Qualitätsfehler wie PSE und DFD. Sie sind keine rein technischen Probleme, sondern physiologische Marker für Stress. Proteolyse, Fettumverteilung und pH-Verläufe sind Ausdruck systemischer Entgleisung. Wird Cortisol durch bessere Haltungsbedingungen, funktionelle Ernährung oder stressmindernde Technologien reguliert, kann die Qualität verbessert und gleichzeitig das Tierwohl erhöht werden.
Im Gesundheitsbereich ist die Relevanz ebenso groß. Angesichts zunehmenden chronischen Stresses im modernen Leben werden physiologische Parallelen zwischen Mensch und Tier zu einem Spiegel. Die gleichen Instrumente, mit denen wir die Schlachtkörperqualität schützen – Antioxidantien, Nitrate, hormetische Reize – könnten auch helfen, die langfristigen Effekte von Cortisol im Menschen zu mildern.
Das Konzept des nitrit-angereicherten Rote‑Beete‑Bacons steht für diese neue Denkweise. Es verbindet uralte Pökelmethoden mit moderner physiologischer Einsicht. Es zeigt: Nahrung ist nicht nur Kalorie, sondern ein Vehikel zur Wiederherstellung biochemischer Ordnung. Wenn Fleischwissenschaft und Lebenswissenschaft sich begegnen, entsteht nicht nur ein besseres Produkt, sondern auch ein tieferes Verständnis für Anpassung, Resilienz und die geteilte Biologie, die unser Überleben bestimmt.
Literaturverzeichnis
Warriss, P.D. (2010). Meat Science: An Introductory Text (2. Aufl.). CABI Publishing.
Lawrie, R.A., & Ledward, D.A. (2006). Lawrie’s Meat Science (7. Aufl.). Woodhead Publishing.
Grandin, T. (1997). Livestock Handling and Transport. CABI Publishing.
Sapolsky, R.M., Romero, L.M., & Munck, A.U. (2000). How do glucocorticoids influence stress responses? Endocrine Reviews, 21(1), 55–89.
McEwen, B.S. (2007). Physiology and neurobiology of stress and adaptation: central role of the brain. Physiological Reviews, 87(3), 873–904.
Medvei, V.C. (1982). The History of Endocrinology. CRC Press.
Buijze, G.A., Sierevelt, I.N., van der Heijden, B.C., Backx, F.J., & Vermeulen, H.M. (2016). The effects of cold showering on health and work: a randomised controlled trial. PLOS ONE, 11(9), e0161749.
Shevchuk, N.A. (2008). Adapted cold shower as a potential treatment for depression. Medical Hypotheses, 70(5), 995–1001.
Clifford, T., Howatson, G., West, D.J., & Stevenson, E.J. (2015). The potential benefits of red beetroot supplementation in health and disease. Nutrients, 7(4), 2801–2822.
El Gamal, A.A., AlSaid, M.S., Raish, M., Al-Sohaibani, M., & Al-Yahya, M. (2014). Beetroot ameliorates repeated restraint stress-induced behavioural and biochemical impairments in rats. Indian Journal of Pharmacology, 46(6), 617–622.
Presley, T.D., Morgan, A.R., Bechtold, E., Clodfelter, W., Dove, R.W., Jennings, J.M., … & Miller, G.D. (2011). Acute effect of a high nitrate diet on brain perfusion in older adults. Nitric Oxide, 24(1), 34–42.
Offer, G. (1991). Modelling of the formation of pale, soft and exudative meat: effects of chilling regime and rate and extent of pH fall. Meat Science, 30(2), 157–184.
Gao, Y., et al. (2024). Effects of ACTH challenge on beef calf stress markers and meat quality traits. Frontiers in Veterinary Science, 11, 11311087.
Liu, R., et al. (2023). Cortisol-induced changes in calpain, cathepsin and muscle proteolysis in piglets. Scientific Reports, 13, 36589.
Ismail, I., et al. (2024). Multi-omics evaluation of beetroot-based supplements on stress-related biomarkers. Frontiers in Nutrition, 11, 1408804.
Moreno, J., et al. (2023). Beetroot-citrulline supplementation reduces cortisol and supports endurance performance. Biology, 11(1), 75.
Wightman, E.L., et al. (2024). Dietary nitrate enhances mood and working memory via cerebral perfusion in adolescents. Nature Food, 5, 308–318.
Lidder, S., & Webb, A.J. (2013). Vascular effects of dietary nitrate (as found in beetroot) via the nitrate–nitrite–nitric oxide pathway. British Journal of Clinical Pharmacology, 75(3), 677–696.
Clifford, T., et al. (2021). Nitrate supplementation and cognitive function: a narrative review. Nutrients, 13(9), 3183.
Scanga, J.A., et al. (2023). Protein biomarkers of stress and dark-cutting meat: a critical review. Comprehensive Reviews in Food Science and Food Safety, 22(2), 1291–1307.

